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Brandschutz versus Einbruchschutz?

Was viele in der Winterzeit mit Gemütlichkeit verbinden, setzt helfende Kräfte alljährlich in verstärkte Alarmbereitschaft. So schön diese Jahreszeit mit Kerzen, Lichterketten, Adventskränzen und Tannenbäumen auch sein mag, erhöht dies gleichzeitig das Risiko für Brände und findet wohl ihren Höhepunkt beim Feuerwerk zu Silvester. Berlin und Brandenburg sind die letzten Bundesländer, in denen die Rauchmelderpflicht zum 31.12.2020 nun auch für Bestandsbauten verbindlich wird. Diese Verordnung trägt erheblich dazu bei, Leben zu schützen und zu retten. Natürlich haben Brandschutz und andere Gefahrenabwehr für Leib und Leben immer Vorrang vor dem Einbruchschutz. Daher müssen Notausgänge an ausgewiesenen Flucht- und Rettungswegen aufgrund von bau- und brandschutzrechtlichen Bestimmungen jederzeit von innen sofort zu öffnen sein. Die Kriminalpolizei empfiehlt aber auch, dass alle Türen von außen auch gut gegen Einbruch zu sichern sind. Gerade im Bereich der Nachrüstung von Sicherheitstechnik kommt es daher manchmal zu Interessenskonflikten zwischen Brandschutz und Einbruchschutz, wobei die Fluchtgefahr natürlich nicht nur ausschließlich durch Feuer, sondern auch durch andere Gefahrensituationen gegeben sein kann. Dabei gilt „Safety first“ – also Personenschutz vor Einbruchschutz (Security). Für diesen Konflikt gibt es aber Lösungen.

Im vertrauten privatem Umfeld eines Einfamilienhauses ist die Situation wohl noch am übersichtlichsten. Jedoch sollte schon bei der Hausplanung daran gedacht werden, dass die Bewohner im Ernstfall an mehreren Stellen schnell und einfach flüchten können. Bewährt haben sich sogenannte selbstverriegelnde Panikschlösser, welche durch einfache Betätigung des Türdrückers auch im abgeschlossenen Zustand von innen jederzeit geöffnet werden können. Diese Technik gibt es ebenfalls für Mehrfachverriegelungsschlösser. 

Selbstverriegelndes Panikschoss an einer Haustür. Die Schließfunktion des Riegels wird automatisch beim Zufallen der Tür über die kleine Hilfsfalle ausgelöst und wird durch Betätigung des Türdrückers sofort wieder entriegelt. Foto: Rainer Schwarz

Plant man z.B. einen Zugang von der Garage in das Haus, so ist bei der hier erforderlichen Brandschutztür darauf zu achten, dass die Sicherheitstechnik am besten gleich bauseits vom Hersteller in Form von Sicherheitsbeschlägen und Schlössern installiert wird, denn nachträglich ist dies nur bedingt möglich, sofern keine Veränderungen an der Tür und Zarge vorgenommen werden. Außerdem müssen alle Komponenten eine entsprechende brandschutzrechtliche Prüfung unabhängiger Prüfinstitute haben. Neben Rauchmeldern, welche nur durch dafür geprüfte Fachkräfte installiert, gewartet oder ausgetauscht werden sollten, gehören Feuerlöscher in jedes Haus, welche ebenfalls regelmäßig zu warten sind. Empfehlenswert ist die zusätzliche elektronische Überwachung durch eine Gefahrenmeldeanlage. Hier lassen sich neben Komponenten für den Überfall- und Einbruchschutz z.B. auch Rauch- und Gaswarn- oder Wassermelder mit einbinden, welche im Alarmfall gleich die Hilfe alarmieren. 

Zentrale einer Gefahrenmeldeanlage

Bei Mehrfamilienhäusern wird es schon etwas komplizierter. Der Klassiker ist wohl, dass die Studenten-WG im Dachgeschoss vielleicht noch zu später Stunde Besuch erwartet und eine abgeschlossene Haustür nicht mehr über die Sprechanlage öffnen kann. Andererseits gibt es aber auch Mieter die bestrebt sind, dass die Haustür abends stets verschlossen wird. Dies ist jedoch rechtlich kritisch. Dazu gibt es ein Gerichtsurteil des Landesgerichtes Frankfurt am Main aus 2015: 

„Ein Beschluss, die Hausordnung dahingehend zu ändern, dass die Haustür nachts abgeschlossen werden muss, widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Das Abschließen der Hauseingangstür führt zu einer erheblichen Gefährdung der Wohnungseigentümer und ihrer Besucher. Durch das Abschließen der Haustür ist ein Verlassen des Gebäudes im Brandfalle oder in einer anderen Notsituation nur möglich, wenn ein Schlüssel mitgeführt wird. Dieses schränkt die Fluchtmöglichkeit erheblich ein, da es auf der Hand liegt, dass gerade in Paniksituationen nicht sichergestellt ist, dass jeder Hauseigentümer und jeder Besucher der Wohnungseigentumsanlage bei der Flucht einen Haustürschlüssel griffbereit mit sich führt, so dass sich eine abgeschlossene Haustür im Brand oder in einem sonstigen Notfall als tödliches Hindernis erweisen kann.“ (LG Frankfurt/Main, Az.: 2-13 S 127/12)

Aber auch hierfür gibt es technische Lösungen über motorbetriebene Panikschlösser, welche bequem über die Klingelanlage zu öffnen sind und sich wieder selbständig verschließen, um so beiden Parteien gerecht werden.

Nach der Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen im Jahr 1996wurden die deutschen und europäischen Brandschutzverordnungen für den gewerblichen und öffentlichen Bereich erheblich verschärft. In Bezug auf die Notausgangsverschlüsse werden im Bereich der Normung zwei verschiedene Ausgangssituationen behandelt:  
Die DIN EN 179 kommt an Orten zur Anwendung, wo Personen sind mit ihrer Umgebung vertraut und Paniksituationen unwahrscheinlich sind, wie z.B. einem Büro. Der Ausgang muss zu allen Zeiten durch Betätigung des Türdrückers nach unten (bzw. der Stoßplatte in Fluchtrichtung) gewährleistet sein. Vorherige Kenntnisse der Betätigung des Verschlusses können dabei erforderlich sein. Die DIN EN 1125 gilt für Panikverschlüsse bei öffentlichen Gebäuden und Orten mit Publikumsverkehr wie z.B. Einkaufszentren bei denen eine Paniksituation wahrscheinlich ist. Hier erfolgt der zu allen Zeiten mögliche Ausgang über die einfache Betätigung eines Panik-Stangenverschlusses in Fluchtrichtung. Es sind dabei keine vorherigen Kenntnisse der Betätigung des Verschlusses erforderlich, über den die Freigabe der Tür erfolgt. Für beide Normen gibt es unterschiedliche maximale Kräfte mit denen die Notverriegelungen zu öffnen sein müssen.

Im gewerblichen und öffentlichen Bereichen möchte man natürlich den Missbrauch von Fluchtwegen vermeiden. Hierzu dienen sogenannte Fluchttürwächter oder elektronische Türüberwachungen, welche im Falle der Öffnung einen Alarm auslösen, den Austritt aber nicht behindern. In besonderen Anwendungsbereichen wie z.B. Kitas und Kindergärten gibt es spezielle technische Lösungen für die Fluchtwege.

Flurabschlusstüren sind i.d.R. Feuerschutzabschlüsse, welche ständig verschlossen gehalten werden müssen, damit im Brandfall das Feuer gehemmt bzw. nicht durch Zufuhr von weiterem Sauerstoff weiter angefacht wird.  

Das Strafgesetzbuch (StGB) regelt in diesem Zusammenhang hier u.a. auch den Missbrauch. Dort heißt es in § 145 Absatz 2  „Wer absichtlich oder wissentlich 1. die zur Verhütung von Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr dienenden Warn- oder Verbotszeichen beseitigt, unkenntlich macht oder in ihrem Sinn entstellt oder 2. die zur Verhütung von Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr dienenden Schutzvorrichtungen oder die zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr bestimmten Rettungsgeräte oder anderen Sachen beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft …“ 
So ist es beispielsweise strafbar, Feuerabschlüsse in Form von Türkeilen dauerhaft offen zu halten oder den Verschluss durch außer Funktion setzen von Türschließern zu unterbinden wie nachfolgendes Bild zeigt:

Brandschutztür außer Funktion durch Manipulation des Türschließers und Türkeils Foto: Rainer Schwarz

Bedarf es im Geschäftsbetrieb in Objekten der Offenhaltung von Türen, so kommt dafür nur geprüfte Flucht- und Rettungswegtechnik in Frage. Diese darf, wie auch alle anderen Systeme im Bereich des Brandschutzes, nur von zertifizierten Betrieben und dafür geschultem Personal installiert und muss durch diese regelmäßig gewartet werden. Sie steuert beispielsweise über sogenannte Feststellanlagen Haftmagnete, welche an eine Brandmeldenanlage angeschlossen sind und gewährleistet so einen sofortigen ordnungsgemäßen Verschluss der Türen im Brandfall über Türschließer. Alternativ kommen hier auch geprüfte elektronische Verriegelungssysteme wie z.B.  Drehflügelantriebe zum Einsatz. 

Die DIN EN 1634-1 regelt die Feuerwiderstandsprüfungen für Türen, Tore, Abschlüsse und Fenster. An Feuerschutztüren dürfen nachträglich prinzipiell keine Veränderungen vorgenommen werden. Ausnahmen regelt das Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin (DIBt) durch Auflistung einiger zulässiger nachträglicher Änderungen und Ergänzungen an Feuerschutzabschlüssen. Dies sind z.B. das Anbringen von Magnet- und Riegelkontakten, der Austausch gegen geprüfte baugleiche selbstverriegelnde Panikschlösser oder dem Einbau von Türspionen mit bis max. 15 mm Kernbohrung und weitere Maßnahmen. Darüber hinausgehende Änderungen sind vom Türhersteller zu genehmigen, andernfalls erlischt die Zulassung der Tür und die Betriebsgenehmigung des Gebäudes durch die Baubehörde.In dem Massengeschäft der Bauelemente dürften jedoch Einzelgenehmigungen von Herstellern kaum zu erwirken sein. 

Fazit: Brandschutz und Einbruchschutz können sich gegenseitig ergänzen, um ein Objekt optimal zu sichern. Beim Brandschutz und Fluchtwegen gilt „Safety first“ und es gibt dabei keine Kompromisse. Bei der Sicherheitstechnik müssen daher manchmal alternative Lösungen geschaffen werden, um den Brandschutz und Fluchtweg nicht zu behindern.Wird nicht explizit darauf geachtet, kann es sein, dass bei Flucht- und Brandschutztüren bauseits Beschläge und Schlösser zum Einsatz kommen, welche aus der Sicht des Einbruchschutzes kaum Widerstand bieten. Daher ist beim Neubau eine gute Planung und Abstimmung mit Architekten, Bauplanern, Herstellern, ausführenden Firmen sowie der örtlichen Brandschutzbehörde auch auf die Eigenschaft der Sicherheitstechnik vor Baubeginn sehr wichtig. 
Bei Bestandsbauten, Umbaumaßnahmen oder Änderung des Nutzungszweckes von Gebäuden bedarf es oft ebenfalls dieser Abstimmung. Die Nachrüstung von Sicherheitstechnik erfordert gute Fachkenntnisse. Kompetente Sicherheitsfachgeschäfte kennen den engen rechtlichen Rahmen, in denen sie sich bewegen dürfen. Im ungünstigsten Falle ist dann schon mal das gesamte Bauelement auszutauschen, um den Einbruchschutz zu erhöhen. 

Weitere Informationen zum Brandschutz sind z.B. bei den Initiativen „Brand-Feuer.de“ oder „Rauchmelder retten Leben“ erhältlich. Informationen zum Einbruchschutz erhält man über die Kriminalpolizeilichen Beratungsstellenund bei Sicherheitsfachgeschäften vor Ort.

Ralf Margout

Da ich von Kind auf in der Branche aufgewachsen bin, prägen Schlüssel, Schlösser und Sicherheitstechnik seit dem mein Leben. Nach meinem BWL-Studium war ich 15 Jahre erfolgreich mit einem Fachgeschäft für Sicherheitstechnik selbstständig. Dann entschied ich mich für einen Wechsel und war 7 Jahre Geschäftsführer bei interkey, dem Fachverband Europäischer Sicherheits- und Schlüsselfachgeschäfte. Inzwischen bin ich über 35 Jahre in der Sicherheitsbranche unterwegs und habe dabei in vielen Fachgremien mitgearbeitet. Aktuell bin ich beratend im redaktionellem Bereich der Sicherheitstechnik tätig.

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